ZEW-Kurzexpertise zur Stabilisierung der Eurozone in der Corona-Krise
von Prof. Dr. Friedrich Heinemann, ZEW
Die Analyse zeigt, dass die Debatte um die neue Eurobonds-Variante zwei Themen vermischt. Zum einen geht es um Notfallliquidität zur Bewältigung der akuten Krise. Zum anderen muss Europa auf Dauer eine Lösung für Euro-Staaten finden, die durch die Corona-Rezession in eine Situation der Überschuldung geraten. Während eine ESM-Kreditlinie in der akuten Krise wirksam Liquidität bereitstellen kann, beinhaltet sie noch keine Grundsatzentscheidung, wie auf Dauer mit einem überschuldeten Land umzugehen ist. Anders, so die Expertise, liegt der Fall bei den Corona-Bonds. Durch die Haftungsgemeinschaft und die beabsichtigte starke Begünstigung hoch verschuldeter Staaten wird faktisch ein Transfersystem errichtet.
Die ZEW-Kurzexpertise argumentiert, dass die akute Krisenphase nicht der geeignete Zeitpunkt ist, um eine staatliche Überschuldung lösen zu können. Hier sind auf Dauer verschiedene Alternativen für Transfers denkbar, die durch Corona-Bonds zu früh ausgeschlossen werden. So könnten in Zukunft Investoren durch einen Schuldenschnitt an den Kosten einer Konsolidierung beteiligt werden. Ebenso könnten besonders wohlhabende Gruppen im überschuldeten Land zu Sonderopfern herangezogen werden. Weil solche Entscheidungen komplex sind und ein ruhiges Marktumfeld benötigten, ist dafür jetzt der falsche Zeitpunkt.
Corona-Bonds erhöhen Risiko von Schulden-Transfers in der Eurozone
Die Emission von Corona-Bonds könnte die Reputation hoch verschuldeter Euro-Staaten sogar schädigen und ein Land wie Italien mitten in der Krise weiter destabilisieren. Sie wären ein Signal dafür, dass die nationalen Schulden dieser Länder ausfallgefährdet sind und deshalb nun neue höherrangige Wertpapiere mit umfassenden europäischen Garantien geschaffen werden müssten. Auch ist es unwahrscheinlich, dass die anfangs angedachten Emissionsvolumina dieser neuen Anleihen ausreichen würden. Es droht eine Zwangslage, in der ein schnell wachsender Teil der nationalen Schulden vergemeinschaftet werden muss.
Die Gemeinschaftshaftung für die Corona-Bonds würde somit mitten in der akuten Krise eine verfrühte Weichenstellung vornehmen, die zu einseitig auf Transfers zur Lösung von Überschuldungsproblemen bei Euro-Staaten setzt.
„Aktuell geht es darum, die COVID19-Seuche einzudämmen, die Wirtschaft kurzfristig zu stabilisieren und die Euro-Staaten finanziell liquide zu halten. Genau dazu kann der ESM einen wertvollen Beitrag leisten. Corona-Bonds erbringen hingegen keinen erkennbaren Mehrwert. Sie erhöhen aber das Risiko, dass es ohne transparente Entscheidungen zu einer umfassenden Transferlösung für nationale Staatsschulden in der Eurozone kommt“, so das Fazit von Friedrich Heinemann.